Der Kojote und die Toten


Heinz-Dieter Pawelzik


In den meisten Indianer Reservaten im Nordwesten von Amerika werden die altüberlieferten Geschichten an vielen Lagerfeuern, oder zu besonderen Anlässen im Gedenken an die Ahnen, noch heute erzählt. Weitergegeben als Kulturgut für nachfolgende Generationen.
Sie beleben nicht nur die Fantasien. Diese Erzähl-Geschichten stammen aus alten Zeiten wie es einmal war am Anfang aller Zeit. Geschichten von Weisen Männer weitergegeben. Weitergegeben als Kulturerbe für die nächste Generation im Sprachgebrauch des jeweiligen Stammes. Dabei können Stammes-Geschichten in ihren Eigenarten variabel und verschiedentlich sein, oder ausgelegt werden, ohne den eigentlichen Inhalt oder Sinn zu verfälschen. Es sind weitgehend Sinn – Geschichten Jedoch sind die alten Geschichten zum Anhören wie es einmal war, zum Aussterben verurteilt. Diese Geschichten können oftmals nicht mehr nacherzählt, weitergegeben werden, weil  teilweise bei einigen Stammesgruppen eine Stammes-Sprache nicht mehr gibt. Das ursprüngliche Traditionelle zum lebendigen einer übertragenden Stammes-Kultur verloren gegangen ist. Die alten Weise Männer, sprich der Weise Wiskasa Mann als Mittelpunkt und die Strukturen von Stammesleben aus alten Zeiten oftmals es nicht mehr gibt. In vielen Indianer-Stämmen wird eine Kultur vorgespielt, der im Kommerz einer Filmkulisse zu angeblichen Lebensweisen, vor allem vorzugsweise Prärie-Indianer der Great Plains dargestellt oder ausgelebt wird und nicht identisches an sich hat zu ursprünglichen Lebensart und Kultur. In einzelnen Fällen wurden die Erzähl-Geschichten aufgezeichnet. Schriftzeichen so wie es der Europäer oder andere Kulturen kannten waren unbekannt. Diese alten Geschichten wurden mündlich zum Erzählen, immer weiter gegeben. Hin und wieder wurde vereinzelt die alten Geschichten von Siedlern-Einwanderer aufgezeichnet. Nur wenige, in sich festgefügte Stämme, besitzen noch heute diese Erzähl-Geschichten und werden neuerdings in alter Palaver-Runde neu Erzählt und weitgehend aufgezeichnet, so dass ein wichtiges Kulturgut ihrer Vorfahren erhalten bleibt und nicht verloren geht. So ist es nur ein Versuch, die alten Geschichten aus restlichen Überlieferungen ein Kulturerbe zu schaffen für nachfolgende Generationen. Geschichten die sonst für immer verloren gehen so wie es die Ahnen ihren Enkel immer erzählten. So auch diese Geschichte von Prärie-Indianer erzählt an vielen Lagerfeuern, vor allem zur Winterzeit um lange, dunkle Wintermonate zu überbrücken.

...)in einem Mythos der Wishram Indianer (Nordamerika) wird berichtet, das der Kojote einst, während des Zeitalters der Tiere, traurig darüber gewesen sein soll, dass die Lebewesen dahin starben und in das Reich der Toten eingingen. Seine einzige Schwester die er über alles liebte war gestorben und auch einige seiner Freunde waren in das Totenreich hinabgestiegen. Auch die geliebte Frau des Adlers hatte das zeitliche gesegnet, und ihr Mann trauerte nun um sie. Trauerte so sehr, dass dieser nicht mehr flog und hungerte. Adler sah ganz erbärmlich aus und hatte nichts mehr vom einstigen Stolz. Hockte auf seinem Felsenstein und die Flügel hingen kraftlos herab Ihm war nach sterben zumute. Selbst Kojote sein bester Freund konnte ihn nicht trösten oder aufmuntern. Da beschloss Kojote nach vielen schlaflosen Nächten, diesen Umstand des Sterben müsse man ändern. Der Tier-Rat muss einberufen werden.
Nach einem großen Treffen aller Tiere, wurde im Tier-Rat beschlossen, dass Kojote und der trauernde Adler ins Reich der Toten gehen sollten um mit den Verstorbenen zu sprechen und sie dazu bewegen sollten, aus dem Reich der Toten  zur Erde zurück zukehren. Zurück ins Leben. Nur die Weise Schlange war dagegen. Man müsse die Toten im Totenreich lassen und ihre Ruhe im Jenseits nicht stören war ihr Einwand. Man wisse nicht, ob sie Überhaupt zurück wollen. Sie wurde Überstimmt. Schlange rollte sich zusammen. Ich habe kein gutes Gefühl. Wer gestorben ist, solle nicht aus den Geist-Welten der Toten geholt werden.  war ihr vergeblicher letzter Versuch zur Einsicht. Aber der große Tier-Rat war dafür und alle Anwesende sich einig, dass Kojote und und der trauernde Adler unverzüglich aufbrechen sollten. Sie sollten versuchen ihre Verstorbenen zurück zu holen. Einen letzten Ratschlag gab Schlange den beiden mit auf ihren Weg. Sollten sie den Geist-See gefunden haben, müsse Kojote bei vollem Mondlicht singen und Adler dazu den großen Balztanz tanzen bis die Geist-Menschen am Ufer erscheinen um sie abzuholen.



Sofort machten sich Kojote und Adler gemeinsam auf den Weg ins Reich der Toten welches gar nicht so einfach war wie sie es sich Vorgestellt hatten. Als  Kojote und Adler des Suchens müde und erschöpft endlich den großen Geist-See, der Wohnsitz der Geist-Menschen erreichten, warteten sie dort bis die Dunkelheit eintrat. Den Ratschlag der Weisen Schlange folgend, begann Kojote zu singen im vollen Mondlicht. Adler tanzte mit müden Flügelschlägen und letzter Kraft dazu um die Geist-Menschen herbei zurufen.  Tatsächlich erschienen nach einer Weile des sich Bemühens, die Kräfte schwanden Kojote und Adler immer mehr vom endlosen Gesang und Tanz, vier Geist-Menschen um beide  über das Große-Wasser der Stille mit dem Kanu ins Reich der Toten überzusetzen. Die Zweifel stiegen an. War es doch falsch die Toten zu besuchen wie es Schlange andeutete?
Sie kamen letztlich zu einem, aus Binsen erbautes Dorf, der Geist-Menschen an, wobei Kojote und Adler herzlich am Ufer begrüßt wurden. Sie betraten ein aus Binsen-Matten erstelltes Versammlungs-Haus der Geist-Menschen. Dort waren zum Erstaunen von Kojote und Adler, die Toten prächtig angezogen. Nicht nur prachtvoll gekleidet. Sie waren alle wie zum Feste geschminkt und tanzten zu Trommelschlägen. Sangen ihre uralten Lieder von Ahnen überliefert. Der von oben herabhängende Mond erfüllte das Binsen-Haus der Toten mit hellem, gleißenden Licht. Alle anwesende Geistwesen waren gut gelaunt und wie es schien, recht zufrieden. Niemand war traurig. Es war alles so schön und so friedlich im Reich der Ewigen Jagdgründe.
Sie waren tatsächlich in den Ewigen Jagdgründe angekommen. Kojote und Adler schöpften neue Kräfte, so dass sie mittanzten und sangen. Frosch der Häuptling des Totenhauses, der neben den Mond stand, beobachtete Kojote und Adler  voller Argwohn und beide fürchteten um den Totenfrieden ob der Fremdlinge, die sicherlich nicht umsonst gekommen waren. Welche Absicht steckte bei diesen unverhofften Besuch von Lebenden im Totenbereich der Geist Menschen.War eine List zu befürchten? Oder noch Schlimmeres?
Im erwachen des frühen Morgen, und mit den Gesang der erwachenden Natur, verließen die Geist-Menschen ihr Gemeindehaus um den Tag mit erholsamen Schlafen zu verbringen. Kojote hatte sich eine böse Absicht ausgedacht um seinen Plan die Toten wieder zu den Lebendigen zurück zu holen. Er wollte Häuptling Frosch töten und die Totengeister entführen. Adler musste einen Korb besorgen den man verriegeln konnte.
Früh am Morgen, verließen die Geist-Menschen das Binsen-Haus, wo sie gesungen und getanzt haben, einige kamen mit erlegten Wild zurück von der Jagd, erschöpft und müde um den Tag mit ausreichenden Schlaf zur Erholung zu verbringen. Alles schien friedlich und voller Eintracht zu sein. Als sie fort waren, tötete Kojote den noch anwesenden Frosch. Zog sich dessen Haut über sein Fell um Froschähnlich auszusehen in der Hoffnung, dass er nicht sogleich aufgedeckt wird ob seiner Absicht die Geist-Wesen einzufangen und in den Korb zu sperren. Adler meldete große Bedenken an wenn dieser Plan nicht aufging.



Beim verblassen des letzten Sonnenlichtes mit hereinbrechender Dunkelheit, kamen die Totengeister als Geistwesen zurück zum nächtlichen Vergnügen wie am Vortag. Auch Mond war anwesend um Hell zu Leuchten und bemerkte nicht die Verkleidung und ahnte nicht die Absicht von Kojote. Als die Tanz-Gruppen und die vielen Sänger auf ihren Höhepunkt waren, niemand sich um Frosch und Mond kümmerten, verschluckte Kojote den Mond. Augenblicklich herrschte vollkommene Dunkelheit die Adler mit seinem scharfen Blick nichts ausmachte und die Geistwesen alle einfing. Sperrte sie in den geöffneten Korb von Kojote. Kojote passte auf, so dass Niemand entkommen konnte. Als der letzte Geist-Mensch eingefangen war, schloss Adler sorgsam und erschöpft den Deckel und ruhte sich auf ihn aus. Kojote aber drängte zur Eile, so dass Adler sich weigerte den Korb mit zutragen. Dann muss ich es eben allein schaffen, so sein brummiger Kommentar.
Kojote trug unter viel Gestöhne die schwere Last auf seinen Rücken, während Adler über ihn flog und den Weg zeigte ob der Dunkelheit. Mond war ja verschluckt worden von Kojote und somit niemand da war der den Weg hin zu den Lebenden ausleuchtete. Als die Last immer schwerer wurde und Kojote kaum weiter gehen konnte, hörten sie Geräusche und laute Stimmen aus den verschlossenen Korb. Es waren die eingesperrten Geistwesen die immer heftiger Verlangten: Lasst uns heraus. Öffnet den Deckel. Wir wollen zurückkehren. Kojote, der so erschöpft war und die Last nicht mehr tragen konnte, sagte zum Adler: Du hilfst mir nicht, ich kann nicht mehr, also lassen wir sie einfach heraus. Adler setzte sich auf den Korbdeckel. Nein, Nein krächste er wiederholt unter Protest. Dafür haben wir uns so gequält. Sollte alles umsonst gewesen sein? Was soll der Tierrat von uns denken? Ist mir egal. Ich kann nicht mehr! Setzte den Korb mit den Geistwesen ab. Ich lasse sie einfach hinaus und wir sind ja Mittlerweile so weit weg, dass die Geistwesen ihr Totenbereich nicht mehr wiederfinden werden und uns freiwillig folgen werden zu den Lebenden.
Kojote hatte falsch Gedacht. Als er den Korbdeckel öffnete, entflohen die Geistwesen und kehrten zur Insel der Toten zurück. Glücklich und Zufrieden mit Jagd, Gesang oder Tanz.  Die Alten - Geschichten untereinander austauschen. Jeder verstand die Sprache des Anderen. Selbst alle Tierarten konnten eine Sprache sprechen wie am Anfang aller Zeit.
Seit dieser Zeit, passt Kojote jede Nacht auf, in dem er ständig Mond mit seinem Gesang zu noch mehr Licht anregt, um alle Geistwesen, die aus dem Toten-Reich zu den Lebenden entfliehen wollen zurückschickt. Unbewusst wurde Kojote der Hüter der Geistwesen damit diese in den Ewigen Jagdgünden blieben und somit kein Toter mehr zu den Lebenden zurückkehren kann. Wären Adler und Kojote etwas geschickter gewesen und hätten nicht den Korbdeckel geöffnet, wären die Toten alljährlich im Frühjahr eines jeden kommenden Jahres auf neue geboren wie Bäume, Blumen und alle Pflanzen. Alles Lebendige, wie Menschen oder Tiere müssen jetzt für alle Zeit in die Ewigen Jagdgründe bleiben um dort friedlich ihre Zeit zu verbringen. Eine Zeit ohne Zeit. Zeiträume endloser Unendlichkeit. An Lagerfeuern die niemals ausgehen.


 
 


Zusammengefasst u. bearbeitet: 

Heinz-Dieter Pawelzik

Stand 2015


 

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