Der Felsenstein - indianische Poesie

...) ich bin ein Felsen. Ich habe Leben und Tod gesehen. Ich habe Glück erfahren, Sorgen und Schmerz. Ich lebe ein Felsenleben. Ich bin ein Teil unserer Mutter, der Erde. Ich habe ihr Herz an meinem schlagen gefühlt. Ich habe ihren Schmerz gefühlt und ihre Freude. Ich lebe ein Felsenleben. Ich bin ein teil unseres Vaters, des großen Geheimnisses. Ich habe seinen Kummer gefühlt und seine Weisheit. Ich habe seine Geschöpfe gesehen, meine Brüder, die redenden Flüsse und Winde, die Blumen, alles, was auf der Erde, alles was im Himmel ist. Ich bin mit den Sternen verwandt. Ich kann sprechen, wenn du mit mir sprichst. Ich werde zuhören, wenn du mit mir redest. Ich kann dir helfen, wenn du Hilfe brauchst. Aber verletze mich nicht, denn ich kann fühlen wie du. Ich habe Kraft, zu heilen, doch du wirst sie erst suchen müssen. Vielleicht denkst du, ich bin nur ein Felsen, der in der stille daliegt auf feuchten Grund. Aber das bin ich nicht: Ich bin ein Teil des Lebens, ich lebe, und ich helfe denen, die mich achten.
Cesspooch / Tanzende Adlerfeder


Studienaufenthalt - Kanada / 2001 ...indianische Mystik


Heinz-Dieter Pawelzik

Kleine Weiße Wolke  
Kleine Weiße Wolke wuchs wohlbehütet als Waise bei seiner Tante, den Senecas auf.
Zu einem jungen Mann heran gewachsen, groß und klug, gab sie ihm zur Zeit des Erwachsen werden, Pfeile und den dazugehörigen Jagd-Bogen eines Jägers würdig.
Sie sagte: “Es wird Zeit, dass du das von den erfahrenen Jägern gelernte, selbständig ausführst, und uns etwas erjagtes zum Essen mitbringst“.  


Früh am Morgen, bevor die Sonne im Osten ihr Morgenrot zeigte und  sich durch ein Farbenspiel in den Zweigen der Bäume und Büschen ankündigte und das feuchte Gras seine Trittspuren hinterließ, zog Kleine Weiße Wolke, wie sein Kosenamen lautete, voller Erwartungen und innerlich Angespannt wie sein gespannter Bogen bereit zur Jagd los, in der Hoffnung den Wunsch folgend seiner Zieh-Tante erjagtes, essbares nach Hause mitbringen zu können. Im ersten Morgentau war ihm das Jagdglück wohlgesonnen, und er erlegte drei Vögel mit gezielten Schüssen, was aber in  Folge mit steten Fehlschüssen endete und sogar die Feder an seinen Pfeilen lösen ließ.
So beschloss Kleine Weiße Wolke eine Pause einzulegen um an einem richten Platz seine Pfeile zu reparieren.
Der Platz, eine Lichtung mit guter Übersicht zum Beobachten bot sich förmlich an.  
Ein dazu passender abgeflachter Felsen-Stein als geeignete Sitzgelegenheit tat sein übriges zur angemessenen Pause. Beides fand Kleine Weiße Wolke wirklich gut um sich auszuruhen und seine Pfeile zu richten für die anstehende erneute Jagd die doch nicht so einfach war wie er sich das Vorgestellt hatte.
Es fehlten doch die Erfahrung erfahrener Jäger an seiner Seite, was Kleine Weiße Wolke nicht davon abbrachte seine erwartungsvolle Stimmung zu verlieren.  Im Gegenteil.
Er wollte beweisen, dass er reif  für die selbständige Jagd, ohne Anweisungen und Aufsicht war. Er überlegte kurz welche Vorgehensweisen seinerseits, die wohl durchdacht, zu einer weiteren, erfolgreichen Jagd führen sollten. Ja, müssen. Seine Zieh-Tante, und sein Stamm, sollten Stolz auf ihn sein. Wir haben einen neuen, wahrscheinlich großartigen Jäger in unseren Reihen.
Die verstorbenen Ahnen sollen sich freuen.
 

Eine kurze Orientierung. Wie und Wo gehe am besten vor waren ein notwendiges Gedankenspiel  Die Windrichtung prüfen wie er es gelernt hatte. Immer gegen den Wind, dass sagen die erfahrenen Jäger. Sonst wirst du kein Wild erlegen. Sie werden mit dir spielen. Du wirst immer verlieren. Alle notwendigen, auch die reparierten Pfeile, für den gezielten Schuss auswählen. Fertig und bereit für eine erfolgreiche Jagd.

Plötzlich woher auch immer, hörte er eine tiefe angenehme melodisch klingende Stimme, die freundlich fragte: “Soll ich dir eine Geschichte erzählen“? Vielleicht viele Geschichten aus vergangenen Zeiten? Du wirst sie sicherlich nicht kennen oder schon gehört haben.
Diese Geschichten, Erzählungen, wurden von unseren Ahnen überliefert und weitergegeben in den Tipis ihrer Sternen-Kinder
Kleine Weiße Wolke zuckte zusammen und arg erschrocken schaute gleich einem angespannten Jäger vorsichtig in allen Richtungen; Nichts war zu sehen oder regte sich worauf er hätte sich konzentrieren können. Kein Schatten der sich bewegte. Nichts.
Keine fremde Person, kein fremder Jäger konnte er ausspähen.
Kleine Weiße Wolke spannte seinen Bogenstrang mit dem dazu gehörigen Pfeil. War Schussbereit. Was war passiert? Drohte Gefahr?

Wieder erklang die fordernde Stimme:“Soll ich dir eine oder mehrere Geschichten erzählen  aus vergangenen Zeiten? Geschichten, überliefert von unseren Ahnen“?
Kleine Weiße Wolke zuckte wieder zusammen. Bekam Angst vor dieser ihm noch nie erlebte, unbekannte Situation die ihm nicht gelehrt war. Jedoch Mutig, und nach Jägerart zusammen gekauert, blickte er mit scharfen Blick, seinen gespannten Bogen Schussbereit in alle Richtungen um die sprechende, unbekannte Person als eventuellen Gegner auszuspähen. Bereit zum Schuss.
Jedoch selbst ein  ruhiges Verhalten, sein suchender Blick aus den Blickwinkeln konnte eine sprechende Person ausmachen. Wieder meldete sich die Stimme zum dritten Mal:“Soll ich dir eine Geschichte erzählen“?
Erst jetzt stellte Kleine Weiße Wolke mit Erstaunen fest, dass die Stimme, undefinierbar aus diesem, von ihm selbst ausgemachten zur Pause und Sitzgelegenheit, abgeflachten Felsen-Stein kam, auf dem er noch kurz zuvor gesessen hat.
Mutig, alle Angst ablegend, fragte der Junge Jäger Kleine Weiße Wolke leise mit belegter Stimme: Was sind Geschichten?

Die dunkle, melodisch klingende Stimme antwortete, meine Geschichten haben sich vor langer Zeit ereignet.
Meine Geschichten sind wie Sterne am dunklen Nachthimmel, die jede Nacht wiederkehren. In zeitloser Folge. Hell und freundlich Leuchten. Dabei Kalt, aber Ehrlich auf uns herab sehen. Uns jedoch die Wege bei Dunkelheit zeigen, außer der Himmel ist Grau  und nicht Willens ist uns zu trösten wenn wir den Weg nicht finden den wir gehen müssen. Hast du es Begriffen? Verstehst du all diese meine Worte Kleine Weiße Wolke?  Es klang alles so ungewöhnlich Geisterhaft.Sprach da ein Geist-Wesen?
Kleine Weiße Wolke wurde Neugierig. Legte Pfeile und Bogenstrang zur Seite, setzte sich auf seinen abgeflachten Felsen-Stein und bat um diese Geschichten. Erzählungen aus vergangenen Zeiten. Anfang aller Zeit.
So begann der Felsen-Stein zu Erzählen. Als er mit seiner ersten Geschichte fertig war, begann er immer wieder eine Neue zu erzählen.
Angespannt und neugierig auf jede neue Geschichte, hörte der Junge Jäger, Kleine Weiße Wolke aufmerksam zu. Lauschte den Ausführungen gewählter Worte bis zur hereinbrechender Dämmerung zu. Als das Abendrot der Nachtgeister erglühte, und die weiter zunehmende Dämmerung nach einem Ende rief, sagte der Felsen-Stein immer noch mit melodisch, klingender Stimmer, aber bestimmend: “Wir hören jetzt auf. Erzähl all das was du heute erlebt und gehört hast im Dorf“. Tipi-Bewohner, Jung oder Alt; alle die du kennst. Und komm morgen zum Sonnenaufgang mit den Leuten des Dorfes zum Geschichten anhören“. Jeder soll sie hören und verstehen lernen. Weitererzählen und ein Geschenk ist mitzubringen“.
 

So war es. Kleine Weiße Wolke ging und berichtete all den Dorfbewohnern was er am Tag bei seinem Jagdausflug allein erlebt hatte. Ungläubiges Staunen aller und gab seine magere Jagdbeute, drei erlegte Vögel seiner Tante, die nur bedingt begeistert war. Sie hatte ihre Zweifel ob der Richtigkeit seiner Ausführungen und glaubte eher an seine Ungeschicklichkeit beim Jagen.
Kleine Weiße Wolke konnte sie aber alle Überzeugen auf die Richtigkeit des geschilderten Vorganges. Sein Erlebnis von ungewöhnlicher Art; das außerordentliche Ereignis mit dem Erzähler Felsen-Stein. Viele Fragen die er beantworten musste. War es gefährlich, ist es ein Mann, oder gar eine Frau? Oder alles zusammen?
Kleine Weiße Wolke konnte sie alle überreden, und Überzeugen auf seine ihm eigene Art mit ihm zugehen am morgigen Tag  und den darauffolgenden  Tag.
Sie gingen bei Zeiten, unter seiner Führung zur Lichtung. Zum genannten Felsen-Stein mit markant, abgeflachten Form-Umrisse.  Die Spannung war allen anzumerken.

Was ist passiert? Hat Kleine Weiße Wolke diese Geschichte nur erfunden um sich wichtig herauszuputzen?

Als alle angespannt ihre Plätze eingenommen hatten und erwartungsvolle Ruhe eingekehrt, die Geschenke wohl geordnet abgelegt waren, begann der Felsen-Stein mit melodischer Erzähler-Stimme, so wie es Kleine Weiße Wolke berichtet hatte, mit seinen Geschichten.
Geschichten aus vergangenen Zeiten.

Erzähl-Geschichten die mündlich von vielen verstorbenen Ahnen in steter  Reihenfolge von berufenen Erzählern, überliefert und weitergegeben wurden, so dass sie nicht in Vergessenheit geraten sind. Seine Anmahnung war sofort, sich diese Geschichten genau zu merken.
Also hört genau zu und verwahrt diese Geschichten in eure Herzen. Vielerorts, oder manche werden sich genau erinnern. Manche ein wenig, und andere unter euch überhaupt nicht. Hört alle genau zu um all dieses gehörte weiter zugeben in mit gewählten Worten.
Die Weisen unter euch sollten diese in ihren Herzen aufbewahren. Die Tradition eures Dorfes soll damit leben und diese Geschichten stets ein lebendiger Teil eurer Kultur sein.

Gespannt und voller Aufmerksamkeit, ja keine Sätze,Wortformulierungen zu überhören oder nicht zu Verstehen, neigten die Zuhörer ihre Köpfe. Lauschten gebannt dieser melodisch klingende Stimme des Felsen-Stein bis zur späten Abenddämmerung die sich ankündigte durch einstimmende Abendmelodien bevor Mutter- Erde sich ausruht und den neuen Tag erwartet. Denn der Abend ist nicht gleich dem Morgen. Jedoch beide, der späte Abend und  ein  früher Morgen  brauchen die Nacht für zu einem neuen Tag wie der Vogel seinen Zweig. Der Zweig braucht seinen Vater den Stamm. Ein Stamm braucht die Wurzel zum Leben. Die Wurzel braucht das Wasser. Das Eine braucht in das Andere.
Die alte Geschichte wird ergänzt durch eine neue Geschichte,so dass wir wir sie alle Verstehen lernen
Sie werden zu Wirklichkeiten wenn wir diese Verstanden haben.
 

Ein dunkelrot gefärbte Himmel, die untergehende Sonne  mit ihrem Sonnenblut, die konstant ihre Wärme verlor, sagte die Stimme aus dem Stein: “Das waren alle meine Geschichten. Bewahrt sie im Innern eurer Herzen und erzählt sie immer wieder. Von Stamm zu Stamm. Euren Vätern, sowie Kindern und Kindeskindern; über Generationen hinweg. Keine Geschichte darf verloren gehen.
Und denkt immer daran, wenn ihr jemanden nach einer Geschichte fragt, gebt ihm immer ein Geschenk; denn diese Geschichten-Erzählungen sind Geschenke unserer Ahnen vor langer Zeit. Im Gedenken  ihrer, ist es stets ein Teil unseres Fleisches.

So war es und alle gingen zurück zu ihren Tipis und erzählten immer wieder die alten Geschichten ihrer Ahnen mit viel Liebe in ihren Worten die sie über die Kleine Weiße Wolke vom Felsen-Stein gehört haben, denjenigen die eine Geschichte hören wollten.
Alle  diese Geschichten verdanken wir dem Felsen-Stein, und unsere Weisheiten berichten die Weisen-Erzähler. Und all denjenigen, die diese Geschichten zuhören wollten und mitnahmen zum weitererzählen.
Das erzählt man sich noch heute. Eine Geschichte ganz im Sinne, und den Anweisungen folgend, ihrer verstorbenen weisen Ahnen bei den Sennecas. Die Sennecas sind ein minimaler Rest verbliebener Stammes-Indianer, aus der Gegend des heutigen Toronto im kanadischen Teil von Ontario.

Für sie sind bis heute die Steine wie Knochenmark der Erden-Frau. Diese Steine besitzen ein immer wieder weiter gegebenes Leben. Ein immer währender Lebenslauf. “Kreislauf des lebendigen Gebären und das ewige Sterben vom Lebendigen“. Du gehst zum Sterben in die Ewigen Jagdgründe ein um weiter zu leben. Du wirst sie Wiedersehen, ein friedliches Leben führen mit deinen verstorbenen Ahnen So Achte die Verstorbenen: Es sind keine Totengeister die der Wind dahin trägt, sondern lebendige  Geist-Wesen. Behandelt und Ehrt sie, als wären durch sie die Ahnen anwesend. Es gibt gute Tage mit ihnen zu Leben im friedlichen Einklang und Harmonie unserer Mutter-Erde.  
Natur voller Leben; ebenso auch gute Tage mit ihnen zu Sterben.
 


 ...) der Himmel dort oben, der seit unzähligen Jahrhunderten, Tränen des Mitgefühls auf unsere Vorfahren geweint hat und uns ewig erscheint, kann sich dennoch stets verändern.
Heute ist er schön, jedoch morgen kann er von Wolken bedeckt sein. Meine Worte heute, sollten wie Sterne sein, die nicht untergehen. Und morgen?
Es ist ziemlich unwichtig wo wir den Rest unserer Tage verbringen. Es sind ihrer nicht viele. Die Nacht, oder die noch verbleibenden Nächte des Indianers versprechen dunkel zu werden. Ein Sternenhimmel ohne Sterne im aufkommen des Morgenrotes. Im Morgentau einer erwachenden Erden-Mutter mit lieblichen Gesang.
Kein heller Stern steht am Himmel und der Weg ist Dunkelheit.
Der Horizont ist dunkel und Winde klagen in der Ferne mit trauriger Stimme. Ein Gesang der Toten;


Shoshoni-Indianer

Der Wolf sagte eines Tages zum Kojoten: „ein Toter könne ins Leben zurück geholt werden, indem man einen Pfeil ins Erdreich unterhalb der Stelle abschieße, wo er begraben liegt.“ Kojote erwiderte: „es sei kein guter Einfalt, die Menschen ins Leben zurück zu holen da es sonst zu viele werden würden.“

Der Wolf war damit einverstanden; doch wünschte er sich insgeheim, der Sohn von Kojote sollte als erstes sterben, was dann auch eintrat. Da erinnerte Kojote den Wolf an seinem Vorschlag, wie man einen Menschen lebendig machen könne. Doch der Wolf erwiderte, Kojote habe selbst gesagt, der Mensch müsse sterben. Seit dieser Zeit blieb es dabei.
 

 


Zusammengefasst u. bearbeitet: 

Heinz-Dieter Pawelzik

Stand 2014

Alle Bilder sind handgemalt und urheberrechtlich geschützt (Urheber H.-D. Pawelzik).
Jede Nichtbeachtung des Copyrightgesetzes wird strafrechtlich verfolgt.
 



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