Zweifelhafter Recht-Staat:  DDR


Analyse - Dokumentation


Hinrichtungen/Hinrichtungsstätten

Protokoll einer Kollegiumssitzung
„Wir sind nicht davor gefeit, dass wir einmal einen Schuft unter uns haben.Wenn ich das schon jetzt wüsste, würde  er ab morgen nicht mehr leben.
Kurzer Prozess; Weil ich ein Humanist bin.
Deshalb habe ich solche eine Auffassung. …
Das ganze Geschwafel von wegen nicht Hinrichtung und nicht Todesurteil – alles Käse, Genossen, Hinrichten, wenn notwendig auch ohne Gerichtsurteil“.


Erich Milke, Minister für Staatssicherheit, 1982

Quelle: Abschrift der Tonbandaufzeichnung der erweiterten Kollegiumssitzung am 19.02.1982
Dokumentiert: Joachim Walther; Erich Milke, Audio CD "ein deutscher Jäger", München 1997


In der Leipziger Südvorstadt, in abgetrennten Räumen der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kästner- Strasse, wurden 1960 bis 1981 alle in der DDR verhängten Todesurteile vollstreckt.
Sie sind weitgehend im originalen Zustand erhalten geblieben.
Bereits ab Mitte der 90er Jahre versuchte das Bürgerkommitee, einen Denkmalstatus für die Räume zu erwirken,
der inzwischen auch besteht.
2001 legte die Sächsische Staatsregierung per Kabinettsbeschluss fest, dass der historische Ort zu erhalten sei.
Momentan bietet das Bürgerkommitee jährlich zur Museumsnacht und zum Tag des offenen Denkmals Führungen an.

In Zukunft  soll der Historische Ort regelmäßig für Interessenten zugänglich sein.
Das Bürgerkommitee arbeitet im Auftrag des Sächsischen Staatsministerium der Justiz an einem Konzept für den Erhalt der früheren Hinrichtungsstätte und deren Nutzung als justizgeschichtlichem Erinnerungsort.
Hintergrund ist, dass Prozesse mit Todesurteil politischen Einfluss ausgesetzt waren und keiner der Hingerichteten ein rechtsstaatliches Verfahren erhalten hatte.
Erinnert wird somit an die Opfer politischer Willkürherrschaft, unabhängig von deren strafrechtlicher Schuld.

Rechtspraxis
In der SBZ und DDR existierten, zum Teil zeitgleich und unabhängig vom Tatvorwurf, mehrere Rechtsgrundlagen für die Verhängung der Todesstrafe.
Die vor der Gründung der DDR von Allierten bzw. allein von der sowjetischen Besatzungsmacht erlassenen Regelungen hatten teilweise noch bis in die 50er Jahre hinein Bestand, während gleichzeitig schon DDR-Gesetzgebung galt. Verhängt werden konnte die Todesstrafe für drei Tatbestände:
NS-Verbrechen/ Staatsverbrechen/Spionage/Wirtschaftsverbrechen sowie Mord.

Die Hinrichtungsart ergab sich aus den Vorgaben des Strafgesetzes.
Zunächst galt in der DDR, mit wenigen Ergänzungen, das Reichsstrafgesetzbuch von 1871:
Dieses sah Vollstreckungen per Fallbeil vor !
Erst  1968 verabschiedete die Volkskammer ein eigenes Strafgesetzbuch für die DDR, in das sie mit § 60 eine spezielle Regelung zur Todesstrafe aufnahm.

Gleichzeitig wurde eine neue Hinrichtungsart, das Erschießen festgelegt.
Von der Gründung der DDR 1949 bis zur Abschaffung der Todesstrafe wurden 231 Todesurteile verkündet.
Davon sind nach heutigen Erkenntnissen insgesamt 160 vollstreckt worden, 64 in Leipzig. Kollage 25 Politische-Steuerung in der ehemaligen Deutschen-Demokratischen-Republik

Da die Umstände der Hinrichtungen in der DDR strenger Geheimhaltungen unterlagen und nur wenige schriftliche Quellen überliefert sind, können diese Zahlen jedoch nur als vorläufiger Forschungsstand betrachtet werden; es ist nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft weitere Einzelfälle recherchiert werden.
Getreu dem Motto: „Jedes Urteill ist eine politische Tat“. DDR-Generalstaatsanwalt – Ernst Meisheimer – war die Justiz der DDR nicht unabhängig, sondern stand in Diensten der Staatsmacht.
Dies galt in insbesondere für die Verhängung der Todesstrafe, die im Lauf der Jahre unterschiedlichen propagandistischen Zwecken dienen musste.

In den frühen Jahren der DDR, galt auch als „die wilden Jahren der Justizsteuerung“ bezeichnet, wurden die meisten Verfahren noch als Schauprozesse vor grosser Öffentlichkeit geführt und breit propagandistisch ausgewertet.
In dieser Zeit berichteten die DDR-Medien umfangreich in agitatorischer Absicht über die Verhandlungen, in denen“ Spione-Agenten-Saboteure“ oder NS-Verbrecher zum Tode verurteilt wurden.
Mit den Hinrichtungen sollten öffentliche Exempel statuiert werden, dass der neu gegründete Arbeiter- und Bauernstaat unnachsichtig gegenüber seinen „Feinden“ sei.
Später wandelten sich die Intentionen: Todesurteile wurden wurden hauptsächlich gegen Angehörige des MfS oder der Volkspolizei ausgesprochen;sie dienten der internen Disziplinierung.
Dementsprechend wurde die Berichterstattung in den Medien zurückhaltender, bis ab der zweiten Hälfte der siebziger Jahre überhaupt keine Berichte mehr erschienen.
Die Prozesse fanden nur noch vor einer internen Öffentlichkeit aus Angehörigen der bewaffneten Organe statt, für die sie disziplinarischen Charakter haben sollten.

Todesurteile standen bereits vor Prozessbeginn fest und waren mit der SED-Führung abgestimmt.

Dazu reichte  die Staatsanwaltschaft den Vorschlag auf Verhängung der Todesstrafe beim Politbüro ein.Dieses nickte die Vorlage in der Regel ab: im Protokoll der Politbürositzung ist dann üblicherweise nur die Zustimmung des Gremiums vermerkt, ohne dass das Wort „Todesstrafe“ überhaupt erwähnt wird.
In den späteren Jahren war oft nicht einmal mehr das Politbüro involviert.
Stattdessen trafen die SED-Chefs „Walter Ulbricht b.z.w. Erich Honecker“ offenbar allein Entscheidung über Leben oder Tod.
War das MfS an den Ermittlungen – was häufig vorkam – nahm dieses ebenfalls Einfluss auf das Urteil !

War das Urteil auf politische Ebene festgelegt, wurden es an das Gericht durchgereicht.
So genannte - 1A Richter und 1A Staatsanwälte - penibel ausgewählte, Regime-konforme Staatsdiener, sorgten dafür, dass die Prozesse streng nach Vorgabe abliefen.
War das - Todesurteil  - verhängt, hatten die Verurteilten die Möglichkeit, ein Gnadengesuch an den Präsidenten der DDR (später den Staatsrat, unter Vorsitz von Walter Ulbricht b.z.w. Ab 1971 Erich Honecker) zu richten.
Nach heutigen Erkenntnissen wurde etwa einem Drittel der Gnadengesuche stattgegeben.
 Nach bisheriegen Erkenntnissen waren in allen Prozessen justizfremde Institutionen an der Urteilsfindung beteiligt.

Die SED-Führung hatte sich die totale Verfügung über diese Strafart bis zum Schluss vorbehalten.
Selbst die Abschaffung im Jahr 1987 organisierte sie am geltendem Recht vorbei.


Hinrichtungen

War ein Todesurteil nach Ablehnung des Gnadengesuchs rechtskräftig geworden, löste der Generalstaatsanwalt der DDR bei der Verwaltung Strafvollzug des Ministeriums des Innern die Vollstreckung aus.
Die Bediensteten des Ministeriums, im speziellen die Deutsche Volkspolizei, waren dann für die Durchführung verantwortlich.
Ab 1954 existierten für die Vollstreckung der Todesurteile nach heutigem Wissen drei Dienstanweisungen, die Ablauf und Zuständigkeiten penibel regelten.
Die letzte Anweisung stammt aus dem Jahr 1968 und ist eine gemeinsame des Ministers des Inneren (gleichzeitig Chef der Deutschen Volkspolizei) des Generalstaatsanwalts der DDR sowie des Ministers für Staatssicherheit.
Bemerkenswert ist, dass das MfS offiziell in den Vollzug von Hinrichtungen gar nicht hätte involviert sein dürfen.

Bis 1967 wurden Todesurteile in Leipzig mit der „Guillotine“ vollstreckt.

Nach einer Änderung des Strafgesetzbuches richtete man ab 1968 mit einem „unerwarteten Nahschuss in den Hinterkopf“ hin.
Die zum Tode Verurteilten wurden in den frühen Morgenstunden über den Eingang in die Hinrichtungsräume gebracht.
Die Vollstreckung fand anfangs 3.00 Uhr nachts, später dann gegen 10.00 Uhr am Vormittag statt.
War der Verurteilte in Leipzig eingetroffen, wurde er zunächst in eine Verwahrzelle gebracht, wo man ihn über die bevorstehende Vollstreckung informierte.
Dort konnte er auch einen Abschiedsbrief verfassen (der jedoch nach seinem Tod nicht abgesendet, sondern zu den Akten genommen wurde) und einen letzten Wunschäußern, z. B. Speise, Getränke, Zigaretten.

15 Minuten vor der Hinrichtung wurde der Verurteilte mit auf dem Rücken gefesselten Händen zum Hinrichtungsraum gebracht.

Dort wurde ihm die Vollstreckung des Todesurteils noch einmal angekündigt.
Anwesend waren bei der Hinrichtung der Leiter der Strafvollzugseinrichtung, der zuständige Staatsanwalt,der Leiter des Haftkrankenhauses Leipzig-Meusdorf als Arzt, der Scharfrichter, zwei Gehilfen sowie in der Regel ein Offizier des MfS.
Für die 70er und 80er Jahre ist inzwischen belegt, um welche konkreten Personen es sich bei diesen Amtsträgern handelte.
Scharfrichter und Gehilfen waren Angestellte der Strafvollzugseinrichtung und wurden jeweils für die Hinrichtungen herangezogen.

Hinrichtungsart - Guillotine
Zur Vollstreckung des Todesurteils mittels Guillotine schnallten die beiden Scharfrichtergehilfen den Verurteilten auf ein bewegliches Brett, dass nach vorn geschoben werden konnte, bis sich das Genick unter dem Fallbeil befand.
Das Fallbeil wurde anschließend entriegelt und trennte den Kopf vom Rumpf.
„Die Gehilfen ließen den Körper anschließend ausbluten, indem sie ihn an den Beinen nach oben hielten, und legten ihn anschließend zusammen mit dem Kopf in den Sarg“

Hinrichtungsart - Genickschuss
Der Vollstreckung mittels Genickschuss wartete der Scharfrichter bereits im Hinrichtungsraum, wenn die Gehilfen den Verurteilten hereinführten.
Er trat unbemerkt von hinten an den Betreffenden heran und schoss diesem aus nöchster Nähe ins Hinterhaupt.
Auch hier wurde der Leichnam anschließend in einem Sarg gelegt, der am Vortag im Krematorium gekauft und bar bezahlt worden war.

Die beiden Gehilfen vernagelten den Sarg und brachten diesen mit einem Barkas B1000 ins Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof.

Er wurde nicht noch einmal geöffnet, sondern umgehend und unter Geheimhaltung verbrannt.
Im Vorfeld wurde sichergestellt, dass sich kein uneingeweihtes Personal in der Einäscherungshalle befand.
Nur die Namen der ersten in Leipzig Hingerichteten sind im Einäscherungsbuch des Krematoriums verzeichnet; später wurden die Leichname nur noch unter den Stichworten „Anatomie“ oder „Abfall“ registriert.
Ablauf und Umstände der Hinrichtungen unterlagen strengster Geheimhaltung.
Auf den Totenscheinen waren Todesursache und - Ort stets gefälscht.
Angehörige erfuhren teilweise erst mit erheblicher Verzögerung vom Schicksal ihrer Familienmitglieder.

Geschichte der Todesstrafe

Nach Kriegsende sprachen die Besatzungsmächte in allen Teilen Deutschlands Todesurteile aus und vollstreckteten diese.
In der Sowjetischen Besatzungzone (SBZ) nahmen Sowjetische Militärtrubinate (SMT) Hinrichtungen vor.
Die Tribunale waren Teil der Roten Armee und zunächst mobil, später auch an festen Standorten angesiedelt.
Sie agierten noch bis in die 50er Jahre hinein, als die DDR bereits gegründet war und eigene Gerichtsbarkeit eingerichtet hatte.
So verurteilten SMT zwischen 1950 und 1953 fast 1.000 Deutsche aus politischen Gründen zum Todesstrafe.
Sie wurden nach Moskau überstellt und dort erschossen.

Parrallel zu den SMT hatten auch deutsche Gerichte ab 1945 die Erlaubnis, Todesurteile auszusprechen; dies allerdings nur im Fall von NS-Verbrechen.
Die Zahl der Hingerichteten liegt nach heutigen Erkenntnissen bis zur Gründung der DDR im Oktober 1949 bei 142.

In der Bundesrepublik wurde 1949 mit Verabschiedung des Grundgesetz die Todesstrafe abgeschafft.
In der DDR Gesetzgebung hingegen war sie bis 1987 als höchstes Strafmaß verankert.
Vollstreckt wurden die Todesurteile bis 1952 dezentral in Hoheit der Bundesländer. Für Sachsen sind insgesamt fünf Hinrichtungsorte verbürgt; „Dresden, Zwickau, Waldheim, Luckau und Coswig“.

Mit Abschaffung der Länder und Gründung von Bezirken nach sowjetischem Vorbild wurde eine zentrale Hinrichtungsstätte für die gesamte DDR eingerichtet.
Die Wahl fiel auf den Justizkomplex am Münchener Platz in Dresden.Hier waren schon im NS sowie in der SBZ Todesurteile vollstreckt worden.
Bis 1956 diente der Ort als zentrale Hinrichtungsstätte der DDR.
Danach sprachen DDR-Gerichte ausgelöst durch eine Phase politischen Tauwetters in der SU (Sowjet – Union)
zunächst keine Todesurteile mehr aus.
Das erste,1959 wieder verhängte Urteil wurde im Januar 1960 bereits in Leipzig vollstreckt.
Der vorherige Hinrichtungsort in Dresden war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Gedenkstelle für die NS-Opfer.
Die genauen Gründe für die Wahl Leipzigs als neuem Hinrichtungsort sind bis heute unklar.
Das vermutlich letzte „Todesurteil“ wurde 1981 an dem MfS-Offizier Dr. Werner Teske vollstreckt.
Offiziell abgeschafft wurde die Todesstrafe erst 1987.
Dies stand im Zusammenhang mit Erich Honeckers Visite in Bonn im September 1987. Honecker wollte diesen Besuch nutzen, um die internationale Anerkennung der DDR als eigenständigen Staat weiter auzubauen.
Die Abschaffung der Todesstrafe plante er als Zeichen des guten Willens und der Orientierung der DDR – Politik an völkerrechtlichen Vereinbarungen.

Laut DDR-Verfassung wäre zur Abschaffung der Todesstrafe ein Volkskammer-Beschluss nötig gewesen.
Da dieser jedoch in der Kürze der Zeit nicht mehr herbeizuführen war, nutzte die SED eine Regelung in der DDR-Verfassung, laut der der Staatsrat Rechtsvorschriften in Form von Beschlüssen erlassen konnte.
Im Gesetzblatt vom 17.07.1987 hieß es dann: „Der Staatsrat beschließt die Abschaffung der Todesstrafe in der DDR“.

Die dem entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen sind ab sofort nicht mehr anzuwenden.
Dies hatte zwar keinerlei rechtliche Wirkung, diente der Staatsführung aber als Grundlage, offiziell das Ende der Todesstrafe zu verkünden.
Die nötige Änderung des Strafgesetzbuches durch die Volkskammer kam erst Ende des Jahres 1987, lange nach dem Besuch Honeckers in der Bundesrepublik, zustande.

„So war die Abschaffung der Todesstrafe nach DDR-Recht verfassungswidrig gewesen“!




Gedenkstätte Dresden
Bautzner Straße

Während der friedlichen Revolution in der DDR besetzten Demonstranten am 5. Dezember 1989 die MfS-Bezirksverwaltung Dresden, um gegen die menschenverachtenden Praktiken des MfS zu protestieren und die Vernichtung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes zu stoppen.
In dieser Zeit übernahm eine Bürgerinitiative die Kontrolle über das Gelände.

„Aktenbestände der MfS-Bezirksverwaltung und Kreisdienststellen des Bezirkes „Dresden“ wurden in die Zellen der Ehemaligen Untersuchungshaftanstalt eingelagert, um sie vor weiterer Vernichtung und unbefugtem Zugriff zu sichern“.

1990 wurden die Akten wurden die Akten der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR (BstU) übergeben, deren Dresdener Außenstelle zunächst ihren Sitz auf dem Gelände der Bezirksverwaltung des nunmehr aufgelösten MfS/Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) hatte.1993 zog die Behörde in ihren heutigen Sitz auf der Riesaer Straße.
Ab diesem Zeitpunkt übernahm der Sächsische Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR die Sicherung sowie die Erhaltung des Gebäudes und begann es für Besucher zu öffnen.
Diese Aufgabe wurde dem 1997 gegründeten Verein Erkenntnis durch Erinnerung e.V. übertragen.
Seit 1999 werden regelmäßig Führungen in den historischen Räumen angeboten.
Im Jahr 2003 beschloss der Sächsische Landtag, das Gebäude in die Liste der Sächsischen Gedenkstätten aufzunehmen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.


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